Die Krinoline Blaskapelle - Biermusik
Die KRINOLINE BLASMUSIK, wurde für diese Aufnahmen um die 90-jährigen Zwillinge und Flügelhornisten Sepp und Franz (der ältere!) Schmid zusammengestellt, weil die beiden noch eine ganz eigene Art des langsamen, weichen, bayrischen Blasmusikspiels verkörpern. Dabei sind außerdem Franz Fürst (58), Tenorhorn, Sepp Preis (51) an der Tuba und Sigi Kaiser (60), Tenorhorn.
Perfektion steht bei dieser Produktion, die live ohne Publikum aufgenommen wurde, nicht im Vordergrund. Entscheidend sind Groove, Innigkeit und Entspanntheit der Musiker. Deshalb haben wir auch kleine musikalische "Unsauberkeiten" auf der Aufnahme gelassen. Das sind die "Bavarian Bluenotes".
Prost & Servus
HP Falkner & Hias Schaschko
Die CD "Biermusik!" gibt’s bei FISCHRECORDS.at, OPTIMAL Records Kolosseumstraße, SERVUS HEIMAT im Stadtmuseum und Kaufhaus BECK am Marienplatz.
Die LIVE-MUSIK täglich von 15 bis 23 Uhr auf der Wiesn.
Das Herz von der ganzen Wiesn
Der Schriftsteller Franz Dobler über die Krinoline, ihre Blasmusik und ihre erste CD
Am dritten Wiesnabend um halb Sechs wird’s spannend an der Krinoline, dem ältesten Fahrgeschäft auf dem Oktoberfest. Sechs Polizisten kommen zum Karussell gerauscht, und ein Schwung Medienleute ist auch da. Fotoausrüstungen, Fernsehkameras. Was wird denn jetzt hier wieder gespielt? Kommt der Stoiber? Der Haider? Oder beide zusammen?!
Warum nicht ? aber jetzt nicht. Die eine Truppe redet ein paar ernste Takte mit einigen jungen Burschen, denen das böse Wiesnkoks weniger geschadet hätte als die hiesige Lieblingsdroge. Und die andere Truppe hat die fünf Musiker der Krinoline Blaskapelle im Visier. Denn die kann in ihrem 63. Jahr ihre erste CD präsentieren: "Biermusik!" Der Titel kommt vom Tenorhornisten Franz Fürst: "Wir spielen keine Volksmusik, wir spielen Biermusik!" Eben, wo doch die Wiesnvolksmusik bei all den Alpenyuppies gut aufgehoben ist, mit deren Spielen und Trachten die Krinoline-Combo etwa so viel zu tun hat wie ein Vilsmaier-Film mit einem von Achternbusch. Oder das Karussell mit dem riesigen Olympia-Looping, vor dem es aufgebaut ist; wie der Hightec-Maschine zum Fraß vorgeworfen schaut’s aus der Entfernung aus. Aber es ist unwahrscheinlich, dass das tolle Ding die gemächliche Attraktion seit 1924 überleben wird. Gemächlich? Vorsicht. Das Drehen und dabei Schaukeln hat’s in sich, wie die Krinoline eben, der "schwingende Reifrock der feinen Damenwelt um 1860". In Begleitung der so unmilitärisch klingenden Kapelle, die in einem an der Außenwand befestigten Kabuff sitzt und die man beim Fahren ständig lauter und wieder leiser hört, entsteht eins der schönsten mir bekannten Gefühle.
Die Brüder Sepp und Franz Schmid stehen im Mittelpunkt des Abends, denn die beiden Flügelhornisten sind nicht nur die Seele der Kapelle. Allein dies ist schon eine kräftige Lokalmeldung: Die ältesten Münchner Zwillinge ? mit 90 das erste Album! Die langjährigsten Wiesnmusiker sind sie sowieso. Seit der ersten Nachkriegszeit haben sie sich durch fast alle Bierzelte gespielt, ehe sie vor bald 30 Jahren in die Krinolinen-Band eingestiegen sind, und damit entkommen dem "ganzen Rauch und Radau" und auch dem Dirigenten ? so eng ist es, dass die Drehscheibe, wenn sie am Höchsten schwingt, ihm glatt den Kopf abschneiden würde, so nah sind die Fahrer den Musikern. Die "Schmid Buam" stellen sich für die Fotografen auf. Sie sind stolz, sie freuen sich wie die Schneekönige und sie strahlen so viel Würde aus, dass die Wiesn für eine Minute verstummen müsste. Wir möchten nicht glauben, dass das ihre letzte Saison sein soll.
Diese Musik "strahlt einen geradezu exotischen Reiz aus", bescheinigte sogar die Sänger- und Musikantenzeitung. Weil eine fünfköpfige Blasmusik eine schön abgespeckte, verfremdete Blaskapelle ist und somit auch der letzte Gassenhauer neu und ungewohnt klingt, speziell für’s Quintett arrangiert. Die schmale Besetzung hat sich aus Platz- und Finanzgründen ergeben, und ihr Sound aus der Notwendigkeit, sich der eleganten Karussell-Bewegung anzupassen: Die Musik ist weich und gefühlvoll, eigentlich nicht weiter weg von Swingjazz als von Blaskapellenmusik, deren Zackiges und Marschierendes verbannt wurde. Das gehört zur großen Schmachtfetzenmusik, so in der Mitte zwischen Mariachi und finnischem Tango. Wenn’s einen echt bayerischen Soul gibt ? das muss er sein.
Der Groove des Karussells
Vor allem die Schmid-Brüder stehen für diesen einzigartigen Klang, und deshalb hat die Plattenfirma Fischrecords für die CD die Kapelle um sie herum gebildet (vom Krinoline-Stamm sind die Tenorhornisten Franz Fürst und Sigi Kaiser dabei und an der Tuba Sepp Preis). Im Tumult am Karussell kann der Musik nie die ganze Aufmerksamkeit gehören, und so ist das Album (das am Fahrgeschäft sinnigerweise nicht verkauft werden darf) mehr als nur ein Souvenir, ohne Publikum, aber live, an zwei Tagen im Studio eingespielt. Im Begleitheft entdeckt man Worte wie "Groove" und "Bavarian Bluenotes" ("kleine musikalische Unsauberkeiten", die im Interesse eines blitzsauberen Gesamteindrucks nicht weggesäubert wurden); das ist ungewöhnlich für eine Platte mit Volks-, pardon Biermusik, und es stellt sich die Frage, wer das endlich einmal dokumentiert hat.
Wird schon kein Zufall sein, dass Fischrecords nur eine Art Bastard der Volksmusik-Szene ist. Dahinter stecken Hans-Peter Falkner, bekannt als Ziehharmoniker des heftigen Linzer Duos Attwenger ("wir probieren gerade neue Songs"), der andererseits mit astreiner Volksmusik aufgewachsen ist und sie mit seinen Eltern schon lange spielt; und zweitens Hias Schaschko, Münchner Postkartenverleger, Grafiker, "Intim-DJ", Musikherausgeber und seit vielen Jahren Krinoline-Fan. Er hatte schon die Fäden gezogen, als die Krinoline-Band 1992 bei einem Attwenger-Konzert den Anheizer machte. Es ist ihre siebte CD mit alpenländischer Rootsmusic. Dokumente, aufgenommen, ehe sie zwischen den Blöcken porentief reine Museumsvolksmusik und Volksballermann womöglich verschwunden sind.
Während die zweite Schicht der Krinoline-Blaskapelle zu arbeiten anfängt, steigt im Hinterhof eine kleine Feier, eingeklemmt zwischen Karussell und rasendem Looping. Kein Außenstehender käme beim Anblick der Gäste auf die Idee, dass hier die Herzkapelle der Wiesn geehrt wird, und andererseits fehlen die bei "Release Parties" üblichen Angebergestalten. Die Bewirtung ist optimal, Augustiner vom Fass und Brezen. Karussell-Chef Theo Niederländer, der Enkel des Begründers, der dieses Unikum nur einmal im Jahr mit Liebe zum Detail aufbaut, hält bescheiden eine kurze Rede, und die von Schaschko ist ganz kurz. Kein Getue, keine Scheinwerfer, und Musiker mit sonnigem Gesicht. Neben der Musik ist es das, was alle an diesem Album Beteiligten verbindet: nirgendwo ist was Aufgemotztes im Spiel. An diesem Ort.
Die Aufgänge zum Karussell sind schwer belagert. Erwachsene vier, Kinder drei Mark (Verliebte frei, das fehlt noch). Die Welt dreht sich und man erkennt doch alles genau auf der leuchtenden Wiesn. So sieht sie gut aus. Und die Krinoline Blaskapelle spielt "La Paloma". Wem jetzt das Herz nicht brennt, der hat nur eins aus Lebkuchen.
FRANZ DOBLER, September 2000